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CHINA- Ein politischer Reisebericht

Bloged in Allgemein by friedi Sonntag November 27, 2011

China-Impressionen von H. Dworczak

Auf Einladung der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften/ Akademie für Marxismus referierte ich an 3 Unis in Beijing, Shanghai und Chengchou über „Krisen des Kapitalismus – Wenn die Linke keine ausreichenden Antworten hat, wird die -extreme- Rechte erfolgreich sein“. Der vierzehntägige Aufenthalt im Oktober bot eine gute Gelegenheit- zum zweiten Mal- das Land unmittelbar kennenzulernen. Hier ein erster, knapper Bericht davon.

Mein Thema fand beträchtlichen Anklang (in Chengchou kamen über über 150 Studis und Professoren) und wurde in allen Aspekten diskutiert. Besonderes Interesse gab es für:

  • – Was ist und was erreichte die weltweite „Occupy“- Bewegung, über die etliche Studis gut Bescheid wußten
  • – mehr Infos über den Stalinismus
  • – Hintergrund-Infos über Griechenland, wo China „helfend“ eingreift und sich die HafenarbeiterInnen von Piräus mit Recht dagegen verwehren, daß der Hafen verscherbelt wird
  • – Arbeitskämpfe in China

Stets wurde ich um meine „Ratschläge für China“ gebeten. Ich unterstrich, daß es die Aufgabe der chinesischen Linken ist, fortschrittliche Konzepte für das Land zu entwickeln, hielt aber nicht mit meiner Meinung hinter dem Berg. Ich problematisierte den  sog. „Marktsozialismus“. Ich legte dar, daß „Plan versus Markt“-Debatten alles andere als neu sind oder bloß in China stattfinden – vielmehr gab es umfangsreiche Planungsdebatten in der jungen Sowjetunion der 20er-Jahre, in Kuba in den 60er-Jahren (an denen sich auch Che Guevara beteiligte) und aktuell erneut in Cuba bzw. in  Vietnam.

Der Wohnungsbau in China erfolgt kaum mehr von staatlicher Hand. Die öffentlichen Stellen „vergeben“ Projekte, die dann zumeist von privaten Bestbietern abgewickelt werden. Die Wohnungen müssen in der Regel gekauft werden. Sie sind sündteuer – in vielen Fällen sind es die Eltern, die dann für die Kinder tief in die Tasche greifen. Demgenüber unterstrich ich, daß eine Gesellschaft, die sich auf den Sozialismus beruft, Güter wie Krankenversorgung, Bildung und eben Wohnen öffentlich und gratis zur Verfügung stellen sollte.

Ausser den Debatten auf den Unis, die natürlich ein spezifisches,  aufgeschlossenes  Ambiente darstellen, nützte ich die Gelegenheit, um auch das  das Alltagsleben kennenzulernen. In Shanghai etwa suchte ich – weitab vom Stadtzentrum – einen Supermarkt auf, um mir einen Überblick über die Lebensmittelpreise zu verschaffen: 10 Eier mit durchschnittlicher Qualität kosteten etwas über 4 Renminbi, was bei bei Industrielöhnen um die 2500/ 3000 Renminbi eine hübsche Stange Geld bedeutet.

Meine generelle Impression war, daß das aktuelle China – trotz der massiven Arbeitskämpfe der letzten Jahre –  eine ziemlich „entpolitisierte Gesellschaft“ darstellt. Nach den Abenteuern der Kulturrevolution widmet sich der Großteil der Bevölkerung fast ausschließlich dem Überlebenskampf, dem Konsum und sehnt sich nach „Aufstieg“. Auf Schritt und Tritt ist man/frau andererseits  mit dem  extrem protzigen Gehabe der (Super)reichen konfrontiert: Luxusburgen vom feinsten und Nobelschlitten der Superlative. Typisch der Sager eines  Touristen-Guide in Beijing über die Luxus -Mall, die in unmittelbarer Nähe der „verbotenen Stadt“ beginnt: „Hier können sie einfach alles kaufen“.

Einen  bezeichnenden  Widerspruch erlebe ich in Chengchou. Die Achtmillionenstadt verfügt über einen tollen Uni-Campus – allerdings schon seit einigen Jahren mit Studiengebühren! -, wo sich viele europäische Länder ein Scherzl abschneiden könnten. Der Bau einer U-Bahn, der den ausufernden Individual-Verkehr-Chaos mildern soll, erfolgt aber erst jetzt.

Nebenbei erfahre ich von meinen FreundInnen auch skurille Geschichten, wie die von der Konfuzius-Statue die im Zentrum von Beijing aufgestellt wurde , bald  aber wieder verschwand…

Die spannendsten  Erlebnisse waren selbstredend die vehementen Diskussionen darüber, was von der Revolution 1949 infolge von Marktfetischismus, „Öffnung gegenüber dem Westen“ etc. noch übriggebleiben ist.

Einige meiner GesprächspartnerInnen  waren dabei um ein gutes Stück radikaler als ich. Während ich „traditionell revolutionär- marxistisch“ argumentierte, daß die -von Anfang an „deformierte“- Revolution und die von ihr geschaffenen Strukturen zwar extrem aufgeweicht/unterlaufen sind, im ökonomischen Bereich sich alle un/möglichen Eigentumsformen finden, aber die traditionelle Bürokratie noch immer die zentralen Zügel in der Hand hält, also der „totale Bruch“ bislang ausgeblieben ist, meinten sie, daß eigentlich nur mehr “ Fassade“, die rote Fahne übriggeblieben ist.

Sie verwiesen etwa auf die soziale Zusammensetzung der Parteitage (ArbeiterInnen unter 10 Prozent). Die Zensur prosozialistischer, linker Kritik ist stark. Hinggegen wird der reaktionäre common-sense ( z.B. TV-Serien, die das Bild vermitteln, die da oben sind alle Banditen – wie die Repräsentanten früherer herrschender Klassen) weitgehend toleriert.

Kein Zweifel: die extrem wichtigen und spannenden  Diskussionen gehen weiter – etwa auf der nächsten Konferenz der World Association of Political Economists ( WAPE) im  Mai 2012 in Mexico City bzw. bei meinem nächsten China-Aufenthalt.

Wien, 27.11.2011 Hermann Dworczak

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