[Frauen in Schwarz] Offener Brief von österreichischen Friedensgruppen an Univ.-Prof. DDr. Lewisch, Universität Wien, über den Vortrag von Ayelet Shaked, Justizministerin von Israel
Wir leiten den Offenen Brief von österreichischen Friedensgruppen an Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch bzgl. eines Vortrags der israelischen Justizministerin Ayelet Shaked im DG Juridicum am 15.2.2017 zum Thema „Protecting Human Rights While Countering Terrorism – the Israeli Case“ weiter
An Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch
Universität Wien
Institut für Strafrecht und Kriminologie
Schenkenstraße 4, 2. Stock
1010 Wien
per email: peter.lewisch@univie.ac.at
Betreff: Veranstaltung mit Ayelet Shaked am 15.2.2017
Guten Tag Herr Univ. Prof. Dr. Lewisch,
wir übermitteln Ihnen hiermit unsere Empörung und schärfsten Protest zu der von Ihnen initiierten Veranstaltung mit der israelischen Justizministerin Ayelet Shaked am Juridicum Wien.
Frau Justizminister Shaked ist Mitglied der nationalreligiösen rechtsgerichteten israelischen Partei „Jüdisches Heim“. Diese Partei ist eng mit der Siedlerbewegung verbunden und hat vor einer Woche ein Gesetz durch die Knesset gebracht, das palästinensische Grundbesitzer im Westjordanland kurzer Hand enteignen kann. Das Gesetz legalisiert nicht nur den Landraub, sondern fordert Siedler geradezu auf, ihre Häuser auf dem Grund von PalästinenserInnen zu bauen. Die Besitzer können sich gegen diese Enteignung nicht wehren. Das bedeutet eine radikale Fortführung der seit Jahrzehnten betriebenen Politik der Enteignung und Vertreibung der Palästinensischen Bevölkerung aus ihrem Heimatland.
Für PalästinenserInnen und israelische Oppositionelle ist das ein „Diebstahlgesetz“. Die Menschenrechtsorganisationen Peace Now und Adalah haben vor, das Gesetz vor das Oberste Gericht zu bringen. Sogar der israelische Oberstaatsanwalt Avichai Mandelblit, ist angeblich nicht dazu bereit, dieses Gesetz vor dem Obersten Gericht zu verteidigen. Wie auch? Juristisch ist es nicht möglich, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet, welches Landbesitzer betrifft, die im Parlament nicht vertreten sind.
Sind diese Landbesitzer denn alle Terroristen? Das entspräche der Logik von Frau Shaked, wie auch der Titels ihres Vortrags „Protecting Human Rights While Countering Terrorism – The Israeli Case“ annehmen lässt. Im Denken von Frau Shaked gibt es nämlich klare Grenzlinien, die von einer deutlich ethnozentrisch-faschistoiden Ideologie der nationalen Sicherheit gezogen werden. Die einen sind innerhalb dieser Grenzen, die anderen außerhalb. Für sie ist es der Terrorismus (Auch Steine werfende Kinder und Jugendliche werden bisweilen unter diesem Begriff subsumiert), der mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Wie? Folgt man dem von ihr auf facebook geposteten Text des Journalisten Eliad Elitzur, in dem dieser forderte, auch „die Mütter der Märtyrer“ zu töten und „ihren Söhnen nachfolgen“ zu lassen, sonst würden sie „weitere kleine Schlangen großziehen“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ajelet_Schaked), wissen wir es.
Für Frau Shaked gehört zur Terrorismusbekämpfung die Beschneidung der Kompetenzen des Obersten Gerichtshofes, damit Politiker mehr Einfluss auf gerichtliche Entscheidungen nehmen können. Nebenbei versucht sie Aktivitäten der Zivilgesellschaft durch den verordneten Zwang zur Offenlegung ihrer Finanzierungen einzudämmen.Auch beabsichtigt sie ein “Nationalitätengesetz” zu verabschieden, das auf die weitere Entrechtung der arabischen Minderheit in Israel abzielt. (https://www.nytimes.com/2015/05/16/world/middleeast/ayelet-shaked-israels-new-justice-minister-shrugs-off-critics-in-her-path.html?_r=1)
Die extrem rechtsgerichtete Haltung von Frau Shaked zeigt sich auch in ihrem Umgang mit Flüchtlingen. Sie fordert einen Migrationsstopp aus Afrika, wollte 1500 Personen innerhalb einiger Monate ausweisen und Flüchtlinge in Sammellagern zwangseinquartieren.
Zur Untermauerung ihrer Argumentation gegen Flüchtlinge postete sie einen Filmausschnitt der zeigen sollte, wie ein dunkelhäutiger Einwanderer einen Bewohner Tel Avivs angreift. Erst als Ihr nachgewiesen werden konnte , dass diese Szene nicht in Israel gefilmt worden war, gestand sie das als Fehler ein, ebenso wie das facebook-posting der Aussagen von Eliad Elitzur.
Kurz: Aus den Äußerungen von Frau Shaked spricht eine rassistische Gesinnung. Sie will einen ethnisch homogenen jüdischen Staat. In dieser Logik ist kein Platz für Unterscheidung. Konsequenterweise ist die aus diesem Denken erwachsende reale Politik Israels keineswegs frei von staatsterroristischen Aspekten der brutalen und demütigenden Unterdrückung des Freiheitswillens des Palästinensischen Volkes. Umso absurder, dass Sie die Dame in der Reihe Distinguished Lecture Series auftreten lassen.
Es ist höchst erschreckend, dass eine juridische Abteilung in Österreich sich dafür hergibt dieser rechtsaußengerichteten Politikerin ein Forum zu bieten, in dem sie ihre rassistischen Meinungen verbreiten oder schönreden kann. Was sagt das über die österreichische Justiz aus, die dem Parlament untergeordnet und getreu der Verfassung und den Menschenrechten agieren soll?
Da wir Sie nicht von vorneherein in den Verdacht setzen wollen ein Gesinnungsfreund von Frau Shaked zu sein, erlauben wir uns die Frage nach Ihren Motiven für diese Einladung zu stellen. Nach Jahrzehnten der Vorherrschaft des von Geschichtsmythen beladenen zionistisch-israelischen Narrativs im europäischen öffentlichen Diskurs, wissen wir heute zuviel, als dass wir uns auf den Standpunkt einer Unwissenheit über die tatsächliche Geschichte und Gegenwart Israels/Palästinas zurückziehen könnten. Wenn man einen Beitrag zur Befriedung dieses unseligen Konflikts leisten will, ist es unerlässlich, dessen Ursachen zu identifizieren und faschistoid-ethnozentrischen Politiken, die Land und Wasser enteignen, Menschenrechte mit Stiefeln treten, das Völkerrecht dauerhaft ignorieren und jeden Widerstand als „Terrorismus“ brandmarken, als totales Hemmnis für einen gerechten Frieden zu verstehen und entschieden entgegenzutreten.
Es ist höchst gefährlich, im Rahmen der derzeitigen allgemeinen Debatte und eines sich polarisierenden Klimas in Europa, einer israelischen Politik Vorschub zu leisten, die Hass und Krieg in der Bevölkerung schürt, gegen Minderheiten und Andersgesinnte vorgeht, dabei bereit ist Gesetze zu biegen, bis sie den eigenen Vorstellungen entsprechen. Rechtsstaatlichkeit wird so der Boden entzogen.
Sich gerade an Israel ein Beispiel zu nehmen, um den Bruch von Menschenrechten mit dem Schutz von Menschenrechten zu rechtfertigen, bedeutet in Folge, dass es zwei Arten von Menschen gibt. Die Bösen und die Guten. Gegen erstere ist jedes Mittel Recht. Das ist das Denken von Ayelet Shaked. Und konsequenterweise ist die aus diesem Denken erwachsende reale Politik Israels nicht frei von staatsterroristischen Aspekten der brutalen und demütigenden Unterdrückung des Freiheitswillens des Palästinensischen Volkes.
Mit dieser Einladung tragen Sie zur Verbreitung solcher Ideen,ihrer Schönwäscherei oder Umdeutung bei. Sie verantworten damit auch das Umsichgreifen von einer Kultur des Hasses und der Rechtlosigkeit. Genau so hat die Palästinenserin Hanan Ashrawi die Politik von Frau Shaked auf den Punkt gebracht.
Rechtsstaatlichkeit in Österreich bedeutet RECHT und nicht RECHTS, bedeutet Menschenrechte und keine Willkür, bedeutet Respekt von Minderheiten und bedeutet Achtung vor der internationalen Gesetzgebung und dem ihr innewohnenden Völkerrecht.
Wir fordern Sie auf diese Veranstaltung abzusagen.
Mit dem Ersuchen um Antwort,
Salam/Shalom,
Steirische Friedensplattform: Franz Sölkner, e.h.; Helga Suleiman, e.h.
Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen: Fritz Edlinger, e.h.
Kommission Israel/Palästina bei Pax Christi Österreich: Gerhilde Merz, e.h.
Frauen in Schwarz Wien: Paula Abrams-Hourani, e.h.
Begegnungszentrum für Aktive Gewaltlosigkeit Bad Ischl: Matthias Reichl, e.h.
Ergeht auch an:
- Bundeskanzler Mag. Christian Kern, per christian.kern@bka.gv.at
- Vizekanzler/Wissenschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner, per reinhold.mitterlehner@bmwfw.gv.at
- Außen- und Europaminister Sebastian Kurz, per sebastian.kurz@bmeia.gv.at
- Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter, per minister.justiz@bmj.gv.at
- Kulturminister Mag. Thomas Drozda, per thomas.drozda@bka.gv.at
- Staatsekretärin Muna Duzdar, per muna.duzdar@bka.gv.at
An die österreichischen Medien (alphabetisch):
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Empfehlenswerte Webseiten
www.pacbi.org – Palestinian Campaign for the Academic & Cultural Boycott of Israel
www.imemc.org – International Middle East Media Centre
http://palsolidarity.org/ – International Solidarity Movement
www.ochaopt.org – Office for the Co-ordination of Humanitarian Affairs in the Occupied Palestinian Territories
www.jewishvoiceforpeace.org – Jewish Voice for Peace
www.palestinemission.at – Die Vertretung des Staates Palästina in Österreich
www.btselem.org – The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories
www.kibush.co.il – Israeli Website mit Nachrichten und Kommentaren über die Besatzung
www.mondoweiss.net – Independent website about developments in Israel/Palestine & related US foreign policy
https://electronicintifada.net/ – Independent online news publication focusing on Palestine
www.dci-pal.org – Defence for Children International-Palestine Section
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