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[isl-aktuell] Syriza – wie weiter nach der Räumung des besetzten Uni-Rektorats?

Bloged in Allgemein by friedi Mittwoch April 22, 2015

Syriza – wie weiter?

(Räumung des Rektorats)

Innerhalb und außerhalb von Syriza ist in der Linken und Teilen der anarchistischen Szene eine heftige Diskussion darüber entbrannt, wie der weitere Weg der Partei einzuschätzen ist. Das Eindringen der Polizei in das von anarchistischen Unterstützern des Hungerstreiks der Polit. Gefangenen Anfang April besetzte Rektorat der Universität am 17.04.15 und die anschließende Räumung war der Tropfen, der in den Augen Vieler das Faß zum Überlaufen gebracht hat.

Es geht dabei nicht nur um den Vorgang selbst. Innerhalb von Syriza gibt es Unverständnis und auch Wut darüber, daß die Aktion offenbar nur zwischen dem Minister für öffentliche Ordnung, Panoussis, und Tsipras abgesprochen war. So jedenfalls hat Panoussis es im Fernsehen am Morgen der Räumung selbst dargestellt, ohne daß es bisher dementiert worden wäre.

Dazu ist zu sagen, daß Panoussis in Deutschland als Staatssekretär zu bezeichnen wäre. Der ihm übergeordnete Innenminister ist Nikos Voutsis, innerhalb von Syriza zu den Fortschrittlicheren zu rechnen. Voutsis scheint in der Frage der Räumung völlig übergangen worden zu sein, genau so wie Staatsminister (in Deutschland würde man sagen „Kanzleramtsminister“) Sakellaridis und diverse Berater von Tsipras.

Es ist vielleicht noch zu früh für eine genauere Einschätzung dieses Schritts von Tsipras. Aber wie auch immer man die Sache dreht: Er war zumindest äußerst töricht. Denn er spaltet nicht nur die Bewegungen (soweit sie Syriza mehr oder weniger wohl gesonnen sind); er spaltet auch die Partei selbst. So hat z. B. die Syriza-Jugend die Räumung sofort verurteilt.

Auch ein Syriza-Abgeordneter hat noch am 17.04. die Erklärung vom Diktyo auf seine fb-Seite gestellt und dazu gemeint, daß dieser Standpunkt, also der Standpunkt des Diktyo, ernsthaft zu erwägen sei. Das wiederum hat Wellen geschlagen in allen möglichen Foren im Internet, aber auch außerhalb dessen. Panoussis selbst hat sich genötigt gesehen, darauf scharf zu erwidern und zu fragen, wer solche Leute (wie den Syriza-Abgeordneten) wohl wähle. Wobei zu bemerken ist, daß Panoussis selbst nicht gewählt wurde, sondern – er war früher Abgeordneter der „Demokratischen Linken“ – von Tsipras zum Minister/Staatssekretär bestimmt wurde.

Es stellt sich schon die Frage, warum Tsipras einen solchen rechten „Linken“ ausgerechnet zum Polizeiminister gemacht hat. Auf wirkliche Veränderungen oder gar ansatzweise Demokratisierung des zu ca. 50 % faschistisch unterwanderten Polizeiapparats kann er es wohl kaum angelegt haben. Deswegen haben wir jetzt auch wieder überall in der Innenstadt die Wannen stehen; deswegen fahren die berüchtigten motorisierten Delta-Einheiten wieder durch Exarcheia.

(Panoussis hat sich übrigens auch wiederholt mit der Ministerin/Staatssekretärin für Migrationsfragen – die ihm unter dem Innenminister gleichgeordnet ist – angelegt. Er hat verhindert, daß, dem Plan der Ministerin entsprechend, die geschlossenen Lager aufgelöst werden und stattdessen Anlaufstellen für Flüchtlinge, ähnlich wie in Deutschland, eingerichtet werden. Es wird also weiterhin geschlossene Lager geben, allerdings mehr dezentralisiert und mit einer Haftdauer von „nur“ noch maximal 6 Monaten.)

Unten, von mir übersetzt, die Erklärung des Diktyo sowie der Offene Brief der Initiative für Widerstand und Solidarität, die sich mit Fragen der Repression und insbesondere der polit. Gefangenen befaßt und in der das Diktyo mitarbeitet.

Achim

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Ist die Doofheit schließlich doch unbesiegbar?

An dem Tag, an dem über das Gesetz zur Abschaffung der Gefängnisse des Typs C[1] und für Minderjährige, zur Haftentlassung Schwerkranker, gegen die Überbelegung der Gefängnisse, zur Abschaffung des Vermummungsverbots und der Entnahme von DNA[2] abgestimmt wird, befiehlt die Regierung das polizeiliche Eindringen in das besetzte Rektorat[3], in eine Besetzung absolut friedlich und geschützt[4]. Das Eindringen mündete in die Festnahme von 14 Personen, die mit einem Gerichtsverfahren überzogen worden. Die Regierung verbreitet als Begründung, daß sie das Eindringen veranlaßt habe, weil es nicht möglich gewesen sei, daß über das Gesetz im Zustand ihrer Geiselnahme durch die Besetzer abgestimmt werde! Das ist sowohl gelogen als auch lächerlich… Denn die Regierung befindet sich tatsächlich nur in Geiselhaft der Rechten, der Fernsehstaatsanwälte, „des Koalitionspartners“ und natürlich des unsäglichen Ministers für Öffentliche Ordnung selbst.

SYRIZA untergräbt schließlich seine gesetzgeberische Initiative, macht sich selbst lächerlich, insofern er die erste Regierung der Nachjuntazeit[5] ist, die ins Rektorat eindringt, während er die Abschaffung des universitären Asyls[6] angeprangert hat; er zeigt sich schwach und panisch (wie soll er es mit den „Gläubigern“[7] aufnehmen, wenn er vor der Tremi[8], vor Adonis[9] und Dora[10] zittert?) und, am schlimmsten, er eröffnet einen neuen Kreislauf der Repression. Während der gesamten Dauer des Hungerstreiks der Politischen Gefangenen[11] gab es offensichtlich übertriebene und auch mißbräuchliche Solidaritätsbekundungen (Besetzung der Juristischen Fakultät[12], Angriffe auf Syriza-Büros usw.) und das muß die anarchistische Szene ernsthaft beschäftigen; gleichwohl stellt das kein wie auch immer geartetes Alibi für die Regierung im Hinblick auf das polizeiliche Eindringen in das Rektorat dar. Einer der Unterschiede zwischen der Linken und der Rechten ist (muß sein), daß die Linke politische Fragen mit politischen und nicht mit polizeilichen Mitteln löst.

Sofortige Entlassung der inhaftierten Besetzer[13] und Stopp jeder Strafverfolgung zu ihren Lasten.

Rücktritt des Ministers für Öffentliche Ordnung G. Panoussis.

17.04.15

 

Netzwerk für Politische und Soziale Rechte (Diktyo)


[1] Hochsicherheitsgefängnisse

[2] unter Zwang

[3] der Universität von Athen

[4] gegenüber Leuten, die mit der Besetzung bzw. dem Hungerstreik der polit. Gefangenen nichts zu tun haben

[5] also seit 1974

[6] 2011 durch die damalige Regierung abgeschafft

[7] der Troika

[8] reaktionäre Nachrichten-Moderatorin und -Kommentatorin des MEGA Channel, eines der größten privaten Fernsehkanäle Griechenlands

[9] Adonis Georgiadis, Rechtsaußen in der Neuen Demokratie, früher Mitglied von LAOS, der rechtsradikalen Partei von Karatsaferis; in etwa vergleichbar mit dem Front National von LePen

[10] Dora Bakogianni, frühere Außenministerin, Tochter von K. Mitsotakis und Frau des vom 17. Nov. 1989 erschossenen Abgeordneten P. Bakogiannis

[11] Der HS begann am 3. März und wurde von den letzten Gefangenen am 19. April beendet.

[12] verbunden mit erheblichen Sachbeschädigungen

[13] Die Verhafteten sind am 18.04. entlassen worden.

 

 

 

 

ÖFFENTLICHES GLÜCKWUNSCHSCHREIBEN

17.04.15

 

Es obliegt uns, Seine Besonnenheit, Herrn Giannis Panoussis[1] persönlich als auch die neugeblidete Regierung S-ANEL[2] in ihrer Gesamtheit herzlich zu beglückwünschen, denn heute, am 17.5. im Jahre des Herrn 2015, an dem Tag, an dem – dies sei beiläufig er­wähnt – im griechischen Parlament über ein überaus heftig gerupftes, zaghaftes, gleich­wohl in die richtige Richtung gehendes Gesetz des Justizministers abgestimmt wird, das auf gereifte Forderungen der Bewegung im Verlaufe eines an­dauernden Hungerstreiks der Politischen Gefangenen Anwort gibt, brachten sie es endlich fertig, das Schlechte in ihnen zu überwinden.

 

Mit dem Eindringen der nunmehr demokratischen Polizeikräfte in das Rektorat der EKPA[3] und der Festnahme der wenigen antisozialen Elemente, die es seit vollen 18 Tagen in eine Höhle von Orgien verwandelt haben, wird endgültig die seit langem beschädigte Bedeutung des universitären Asyls wiederhergestellt, aber auch die bürgerliche Legalität allgemein.

 

Fahrt fort, Genossen, auf diesem guten Weg und Ihr werdet in Bälde und dann auch mit vollem Recht den Titel der Linken des Nichts[4] erwerben.

 

Aber, wir werden darauf zurückkommen

 

Hochachtungsvoll

 

INITIATIVE DES WIDERSTANDS UND DER SOLIDARITÄT

 


[1] Minister für öffentliche Ordnung

[2] wird im Griechischen genau so gesprochen wie „Chanel“, die Modemarke

[3] Nationale Kapodistrische Universität Athens

[4] kann wahlweise auch mit „Nichtigkeit“, „Bedeutungslosigkeit“ oder „Nichtswürdigkeit“ übersetzt werden. Als „Linke des Nichts“ (Αριστερά του Τίποτα) hat Polizeiminister Panoussis selbst Syriza in seiner jetzigen Form bezeichnet: Es heißt in einem Artikel, den er am 3. April im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der Polit. Gefangenen und den diversen, sicher teilweise überzogenen Soli-Aktionen von Anachisten in einer der großen der Opposition nahestehenden Zeitungen („Ta Nea“) veröffentlicht hat:

„… Linke, und zwar Regierende Linke, bedeutet Gleich- und Freiheit, Rechte, soziale Politik, öffentliche Kontrolle, Gerechtigkeit. Wer meint, daß auf der modernen internationalen und europäischen Ebene Linke Koalitionsregierung wehrloses Land und Stadt (ohne persönliche, soziale und nationale Sicherheit, ohne Streitkräfte und ohne Polizei, vielleicht auch ohne Richter und Gefängnisse) bedeutet, wer meint, daß die Lehren aus unserer Geschichte überflüssig sind (weil alle Völker „verbrüdert“ (sic!; Hervorhebung von Panoussis selbst) sind) und daß unsere Erziehung jegliche gesetzlose Praxis erlaube (sic!; s. o.), der hat nicht nur nichts mit der Linken zu tun, sondern auch nichts mit der Demokratie.

Diese Linke des Nichts brauchen das Land und das Volk nicht. …“

 

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